Dr. Theol. Reinhard Hauke
Weihbischof
Bistum
Erfurt, Deutschland
Hochwürdigste Exzellenz,
die Zeit vergeht sehr schnell und jeden Tag liegt mir es schwer am Herzen, dass ich bis jetzt keinen Brief an Sie verschickt habe und mich bei Ihnen für Ihre große Hilfe nicht bedankt habe, die Sie mir, einem für Sie unbekannten Priester geleistet haben. Ich erinnere mich ständig an Sie und Ihre Mitmenschen in meinen Gebeten, denn Sie sind für mich in der Tat diejenigen Samariter geworden, die mir in der Not geholfen haben.
Meine Geschichte ist wie folgt: ich musste in Griechenland bei der Internationalen Konferenz der Gesellschaft für das Recht der Ostkirchen vortragen, die im Zeitraum von 13. bis 18. September 2011 stattfand. Das Flugticket aus der Ukraine sollte über 400 Euro kosten. Da sich aber am 11. September in Banneux, Belgien die Marien Wallfahrt aller Ukrainer Belgiens ereignen sollte und den Gottesdienst der Erzbischof Kyryl Tsyril, Sekretär der Kongregation der Ostkirchen halten musste, haben wir, der ältere Herr Hryhoriy Kovtko und ich (wir haben ja einige Zeit her in Belgien gelebt) beschlossen, dass wir auf jeden Fall hin fahren müssen, zumal das Flugticket aus Belgien nach Athen 100 Euro kostete und Herr Kovtko bezahlte Diesel nach Belgien und zurück. Solche Pläne hatte ich, um Geld zu sparen. Eben deswegen beten wir in der Liturgie für „Reisende“, denn dieses menschliche Geschäft birgt in sich ein gewisses Risiko. Diesmal musste ich wiederum die ganze Trughaftigkeit der menschlichen „Pläne“ erleben.
Als wir über 1000 km von Lviv (Ukraine) entfernt waren, fing unser Auto Volkwagen Transporter, Herstelljahr 1997 mit der Geschwindigkeit von 120 km auf der Autobahn A40 (Schorba oder Magdala, Bezirk Weimar, Bundesland Thüringen) gegen 15:00 Uhr am Mittwoch, den 7. September 2011 an, an der Kraft zu verlieren und ich änderte die rechte langsamere Spur direkt vor dem riesigen Lastkraftwagen (TIR), doch bald zog mein Auto noch langsamer und gab ein starkes Geräusch Schrott aus. In diesem Augenblick fing das LKW an stark zu hupen, ich bemerkte einen temporären Schadenabschnitt an der rechten Seite, wo die Straße ausgebaut wurde, lenkte das Auto heftig um und hielt an.
Ich habe sofort verstanden, dass diese Haltestelle eine lange Weile dauern wird und uns viel Geld kosten wird. Mich überkam die Schwermut und Verzweiflung. Wir blieben einige Zeit im Auto sitzen, danach stieg mein älterer Mitfahrer, der 87 Jahre alt ist, auf die Autobahn aus, um irgendein Auto anzuhalten. Die Wagen rasten vorbei, es war für diese nicht so leicht auf einmal anzuhalten und diese hielten auch nicht an. An der anderen Seite der Straße war ein Fahrweg, der von der Baustelle lief, da kam ein Auto heran, das Herr Kovtko auch anhielt. Der Fahrer sollte Hauptingenieur sein, der aus jenem Bauwerk ausfuhr. Wir erklärten ihm die ganze Situation und er rief die Polizei an. Nach einiger Zeit kam ein Polizist und rief den Abschleppdienst „ADAC“ an. Es verlief etwa 30 Minuten, bis der Mitarbeiter des Dienstes eintraf. Endlich kam ein gelber Hilfewagen.
Die Männer ließen den Motor einschalten und da der Bruch bedeutend zu sein schien, schlug uns Herr Meister vor, unser Auto bis zur Garage für 50 Euro zu schleppen. Ich weiß nicht genau, wie lange unsere Fahrt gedauert hat, aber wir sind zuerst durch die ebene Straße gefahren, danach haben wir stark nach unten auf die Autobahn auf die Seitenspur umgelenkt, ferner stark bergab durch die Dorfstraße von Mellingen, Thüringen. Dort befand sich eine Autowerkstatt, in der man mit Wagen „Transporter 4“ zu tun hatte. Nachdem der Motor wiederholt angehört wurde, haben die Meister beschlossen, dass es nicht um den Motor, sondern um die Kupplung geht. Die Reparatur sollte 1400 Euro kosten und 24 Stunden dauern. Herr Kovtko gab 900 Euro aus, die er glücklicherweise mit sich hatte und zahlte voraus. Man schlug uns vor, im Privatsektor zu übernachten, wo uns der Meister aus „ADAC“ zur Frau Christa Tanneberg hinbrachte. Er musste jeden einzelnen von uns hinfahren, denn sein Wagen hatte nur ein Platz frei für einen Passagier, alle anderen Plätze waren für technische Mittel eingerichtet.
Nun haben wir hier in einem Halbkellerraum mit keinem Kruzifix oder Andachtsbild an der Wand gebetet, gegessen und die Nacht verbracht… Herr Hryhoriy hatte Provision für eine Woche mit sich. Am Abend machte ich einen Spaziergang durch das Dorf und erblickte einen alten lutherischen Tempel, der in der Mitte eines Friedhofes geschlossen lag. Das Dorf sah anständig aus, fast alle Häuser waren im guten Zustand. Es gaben auch Reste einer alten Mühle. Am anderen Tag ging ich zur Werkstatt, wo mir erklärt wurde, dass wir noch einen weiteren Tag warten müssen, denn es geht nicht nur um die Kupplung, der Motor muss auch auseinandergenommen werden. Diese Nachricht teilte ich Herrn Hryhoriy mit. Ich vertiefte mich in meine verwirrte Gedanken, aber ich konnte leider keinen ordentlichen Ausweg aus dieser Lage finden. Herr Kovtko bemerkte dies und ermutigte mich optimistisch zu bleiben. Damals habe ich stark verspürt, was die Worte „die Zeit mit dem Gebet zu verwehen“ bedeuten. Die Sachschäden sind in der Tat nichts gegenüber den körperlichen und seelischen Schäden. Wie kann man wegen materielles Verlustes und Unruhe, die dieser Verlust bewirkt, diese oder jene Realität adäquat zu bewerten, wenn solche Unfälle die Menschen, die Familie, die Gesellschaft auf der seelischen Ebene erschüttern?
Nach dem Mittagessen war ich etwas unruhig und erinnerte mich an den deutschen Theologen, der hier in Deutschland wahrscheinlich als Bischof tätig war. Ich dachte, dass er in Erfurt sein sollte. Außerdem wusste ich nicht, wie ich meine Freizeit mit Nutzen verbrauchen sollte und erinnerte mich zurück, dass in dieser Stadt auch Luther lebte, und entschied mich diese Ortschaft zu besichtigen. So ging ich zum Bahnhof, kaufte mir im Ticketautomat einfache Fahrkarte nach Erfurt. Im Zug gab es viele russisch sprechende Männer. Nachdem ich in 20 Minuten in Erfurt eingetroffen war, fragte ich Polizisten nach, wo sich der Erzbischöfliche Stuhl befindet und ging nach den Schildern durch die ganze Stadt zu Fuß dahin. Dort erkundigte ich mich nach dem Standort der Bischofkurie, machte mich auf den Weg hin und bat um einen Termin mit dem Bischof, „denn ich kenne ihn, er war einmal bei mir an der Lviver Theologischen Akademie zu Besuch“. Frau Rita Rosenstengel, Sekretärin empfing mich und begleitete mich ins Wartezimmer. In einigen Minuten kam sie wieder und äußerte ihr Erstaunen, dass ich den Bischof in Lviv getroffen hatte, er war ja nie dort. Es stellte sich heraus, dass ich den Bischof von Magdeburg, Doktor Gerhard Feige kenne. Ich entschuldigte mich bei ihr, erkannte meinen Fehler und bat in diesem Fall, meinen Termin beim Bischof abzusagen. „Das macht nichts“, sagte Frau Rosenstengel, „Sie können sowieso den Bischof besuchen“. „Wozu denn, ich hab nur Probleme“, erwiderte ich. „Sie können ja dem Bischof ihre Probleme erzählen“, antwortete die Frau leise und ging mit einer ausstrahlender tiefen Zuversicht weg.
In einigen Minuten kam ein kräftiger Mann und fragte: „Was für Probleme haben Sie?“, indem er mich in ein eigenes Zimmer begleitete. Das waren Sie, mein Wohltäter, Weihbischof, Dr. Theol. Reinhard Hauke. Ich erzählte Ihnen, was alles unterwegs passiert war und über meine bescheidene Finanzlage und bat um eine finanzielle Hilfe für die Autoreparatur. Sie riefen den Ökonom des Bistums, den Domkapitular Christoph Hübenthal, um mich zu zuhören. Ich erzählte meine Geschichte, über meine finanziellen Schwierigkeiten, meinen Verdienst, Familie, schwierige Reise, die ich vorgenommen hatte… Sie haben um Dokumente gebeten – meinen Pass und Ausweis des Priesters, um eine Fotokopie zu erstellen. Auch haben Sie die Werkstatt angerufen und Ihnen wurde gesagt, der Preis wäre 1400 Euro, 900 Euro sind schon vorausgezahlt und Sie waren bereit den Rest 500 Euro zu zahlen, obwohl Sie bemerkten, dass es ein zu hoher Preis ist. „Vater Ökonom wird überlegen, wie wir das hinkriegen. Wir bezahlen die Arbeit!“ Danach fragten Sie nach meiner Unterkunft und erstaunten, dass ich hierher mit dem Zug aus Mellingen gekommen war. Sie erkundigten sich auch danach, ob ich die Rückkarte habe. Als ich verneinte, ließen Sie Vater Christof mich zurück bringen. Ich verabschiedete mich bei Ihnen und fragte nach Ihrem Namen. Sie erwiderten: „Mein Name ist schwer auszusprechen, Reinhard, Sie werden den sowieso nicht im Kopf behalten“. Ich bat um Ihren Segen, welchen ich sehr brauchte. Nach dem Abschied erschien Frau Rita, meine „Maria zu Kana in Galiläa“, die mich fragte, ob Herr Weihbischof mir geholfen hatte. Ich sagte kurz, er würde 500 Euro zahlen und bedankte mich.
Im geräumigen französischen Wagen von Vater Christof erkundigte ich über seine Liebe zum byzantinischen Gesang, über das Beherrschen der französischen Sprache und Kultur. Der Vater wollte zuerst die Werkstatt besuchen, aber diese war geschlossen. Ferner wollte er sehen, wo ich wohne. Er begegnete Frau Tannenberg, die berichtete, dass ihr Mann schon auf dem Weg zur Familienversammlung ist und sie fährt auch morgen nach Dresden und kann uns nicht mehr unterhalten. Sie suchte nach den anderen privaten Zimmern zum Vermieten, aber alle Räumlichkeiten waren in jenem kleinen Dorf reserviert. Dies war ein anständiges Dorf mit vielen umgebauten Häusern, wobei alle alten Baudenkmäler aufbewahrt blieben. Sie sagte ferner, sie fahre morgen um 9:00 Uhr und wir können bis zu dieser Zeit bei ihr bleiben. Vater Christof, der bei diesem Gespräch war, war von der ganzen Lage beseelt und nach ein paar telefonischen Gesprächen schlug uns vor, dass wir am nächsten Tag um 8:15 Uhr nach Weimar, zum Pfarramt der Herzens Christi fahren, das sich in der Paul-Schneider-Straße 1 (August-Fröhlich-Platz) befindet.
Ein älterer Priester, der schon im Ruhestand war, hat uns hierher gebracht. Wir sind gut gekommen, haben uns verabschiedet und haben diesen Mann nicht mehr gesehen. Als er unsere Geschichte gehört hatte, übergab er uns 300 Euro mit der örtlichen Pfarrassistentin. Wir ließen uns im kulturellen Pfarrzentrum Otto-Neururer-Haus in einem Zimmer im Erdgeschoss nieder, das völlig für Gäste bestimmt war. Es besuchte uns Vater Michael (Kaplan Michael Messer), Mitarbeiter, der uns tröstete, es werde alles in Ordnung, und berichtete uns täglich, das Auto werde morgen fertig. Wir speisten die Essenreste von Herrn Hryhoriy. Er hat mich einmal zum Stadtzentrum ins Restaurant eingeladen. Ich hatte akuten Husten und dachte, es sei Bronchitis, aber es stellte sich heraus, dass es Magengrippe war, die als Folge meiner Unsicherheit bezüglich der näheren Zukunft erschien. Die Sache ist, dass das Hauptziel der Reise von Herrn Kovtko die Wallfahrt nach Banne am Sonntag war, und mein Reiseziel war der Flug nach Athen am Montag. Seit Donnerstagabend habe ich kaum gegessen. Ich konnte nicht vorhersehen, dass ich aus dem Dorf Mellingen nach Weimar fahren werde und gab die Visitenkarte der Werkstatt dem Vater Christof. Vater Christof war im ständigen Kontakt mit der Autowerkstatt, danach rief er Vater Michael an und der berichtete mir alle Neuigkeiten. Es schien so aus, dass wir immer noch warten und warten müssten! Ich ging etwas in der Stadt spazieren, obwohl ich keine Lust dazu hatte. Ich las Horologion durch. Ich hatte keinen Zugang zum Telefon und Fernseher, am meisten fehlte mir Internet, mit dem ich gewöhnlich kommuniziere und neue Nachrichten aus der ganzen Welt erfahre. Einige Male rief ich meine Familie in der Ukraine aus der städtischen Telefonzelle an sowie meine Mutter nach Belgien, einmal um ihr meinen nächsten Ankunftstermin mitzuteilen, dann wollte ich meine Kleidung nach Banne bekommen haben, danach, um ihr mitzuteilen, dass ich nicht komme... Einmal erlaubte mir Vater Michael in der Kanzlei das Telefon gebrauchen und ich rief einige Leute an. Ich hatte auch Zeit, einige Artikel aus dem kanonischem Recht durchzulesen, meinen Vortrag für den Auftritt in Athen kürzer zu machen und dem den letzten Schliff zu geben, das Kommentar zum Apostolischen Schreiben „Orientale Lumen” für die Konferenz der katholischen Studenten in der Stadt Ternopil vorzubereiten, die am 24. September, am nächsten Tag nach meiner Ankunft in der Ukraine stattfindet. Am Mittwoch ließ Vater Michael uns mitteilen, unser Auto sei am Donnerstagabend fertig. Dann am Freitag, ferner am Montag. Schon am Freitag spürte ich, dass wir am Samstag losfahren müssen, damit wir rechtzeitig in Banne eintreffen, aber Vater Michael überzeugte uns, das Auto sei höchstens Samstag fertig.
Wir haben verstanden, dass unsere Reise nach Banne am Samstag nicht stattfindet und haben beschlossen, am Sonntag mit dem Zug dahin zu fahren. Eine andere Überraschung erwartete uns mit Fahrkarten, denn am Samstag bekam ich am Bahnhof ein ausgedrucktes Papier, wo stand, dass die Fahrkarte nach Charleroi 103 Euro per Person kostet, aber an jenem Tage habe ich die Fahrkarten nicht gekauft, und am nächsten Tag kosteten die Tickets schon 171 Euro. Die Rückkarte von Charleroi nach Erfurt kostete 79 Euro. Ich wusste ja nicht, dass es verschiedene Preise für den gleichen Zug zu verschiedener Zeit geben.
Als ich am Samstag beschlossen habe, dass wir am nächsten Tag losfahren, lief ich zum Bahnhof und fragte nach, wann der Zug eintrifft und wie hoch der Preis ist, danach bat ich Vater Michael uns zur Autowerkstatt zu bringen, denn alle unseren Sachen waren im Auto geblieben. Aber er war am Samstag beschäftigt, denn er hatte die feierliche sonntägige Abendliturgie vor sich, und danach gab es noch eine Familienfeier im Kulturzentrum. Wir besuchten den Gottesdienst, denn wir wussten, dass am Sonntag wir nicht mehr dabei sein werden. Danach sind wir nach Mellingen gefahren, haben alle unsere Sachen aus dem Auto genommen und haben uns den gebrochenen Motorteil, die Achse, angesehen. Der Meister sagte, er habe so was noch nie gesehen und weiße auch nicht, wie so was passieren konnte. Ich überlegte, ich müsse das Auto beim Abholen unbedingt aufnehmen. Wir haben uns gepackt. Einiges für die Fahrt nach Griechenland, einiges für Mutter aus der Ukraine, im Endeffekt bekamen wir drei Bettelgepäcke, eine Tüte für jeden. Eine meiner alten Tüten hat sich unterwegs zerrissen. Die komische Szene war diese, wenn ich jedesmal dem Herrn Kovtko half den Rucksack zu schultern, den er sich gekauft hatte und konnte nicht mehr selbständig über die Schulter ziehen. An diesen Tagen hatte ich immer einen unterbrochenen instabilen Schlaf. Andere Sachen, die wir nicht mitnehmen konnten, ließen wir im Kellerzimmer des Kulturzentrums liegen.
In Weimar haben wir drei hoch interessanten kulturellen Sehenswürdigkeiten besichtigt: den Buchenwald, der in der Nähe lag, wo Vater Otto Neururer Märtyrertod erlitt; die Kathedrale des Heiligsten Herzens Christi ist eine kleine Kopie von der Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz; Ferenz (Franz) Liszt spielte in dieser Kathedrale Orgel und sang Loblieder an Christus während der Liturgie. Wir freuten uns, dass das Gedenken an Johann Wolfgang von Goethe und Johann-Friedrich Schiller, die hier begraben wurden, lebendig ist und gedeiht. Am Samstag genossen wir die Memoriale Orgel von Ferenz Liszt, die der örtliche Orgelspieler meisterhaft spielte.
Am anderen Tag holte uns Vater Michael in der Morgenstunde zur Bahnstation ab. Unser Weg lag aus Weimar nach Erfurt, aus Erfurt nach Frankfurt, aus Frankfurt nach Köln, aus Köln nach Lüttich, aus Lüttich nach Charleroi. Lustige Sache war diese, dass wir den Schnellzug des höchsten Komforts einstiegen, wo sämtliche Sitzplätze reserviert waren. Auch wir hatten reservierte Plätze, doch wir wussten es nicht. Als wir uns darüber erkundigten, waren wir zu faul, um mit dem gesamten Gepäck durch zwei Waggons zu laufen. Die skrupulösen Deutschen kamen an uns heran und baten uns umzusetzen, denn die haben eben diese und nicht jene Plätze reserviert. Wir setzten uns freundlich auf andere Plätze um, eben auch reserviert, doch keiner mehr hat uns gestört. Doch wir hatten das Gefühl, als ob wir etwas Schlimmes getan haben und wir werden nun dafür bestraft. Im anderen Zug, wo fast alle Plätze reserviert waren, jedoch ohne Fahrgäste, war es sehr interessant zu beobachten, wie die deutschen Polizisten mit Fahrkarten ohne reservierte Plätze einstiegen und suchten lange nach ihren Plätzen, im Endeffekt setzten diese sich auf die „reservierten“ Plätze. Für Herrn Kovtok war es von besonderem Interesse, die Bahnhöfe von Erfurt und Frankfurt zu besuchen, wo er einmal noch während des 2. Weltkrieges war. Obwohl unser psychologischer Zustand besonders war, war es für uns höchst interessant, mit europäischen Zügen zu reisen und die modernen Bahnhöfe zu besichtigen, die für alle Menschengruppen geeignet sind. Wir trafen somit in Charleroi ein, wo der Taxifahrer uns nach Hause abholte, wobei der Fahrer keine Ahnung hatte, wo sich unsere Straße befindet. Es stellte sich heraus, dass er aus Mons kommt, geschieden ist und beschlossen hat, so weit wie möglich von seiner Ex-Frau entfernt zu arbeiten.
Uns erwartete Stanislav, der Nachbar meiner Mutter, sie bat ihn im Hause zu bleiben und uns zu empfangen. Herr Oleh Kovalchuk, örtlicher Vorstand der ukrainischen Gemeinschaft und des kirchlichen Ausschusses, holte dann meine Mutter aus Banneux ab. Es folgte das Zusammentreffen. Ich dachte, meine Mutter oder der reiche Mann Stanislav werden uns eine finanzielle Hilfe anbieten, doch es kam nicht dazu.
Nächsten Morgen ging ich zum Bahnhof und kaufte Fahrkarten nach Erfurt. Am Nachmittag brachte mich eine andere Freundin von Mutter Anna zum örtlichen Flughafen Charleroi, wo ich nach Athen ausflog.
Erst in Athen verließen mich meine Sorgen, die ich in Deutschland überlebt hatte. Im Flughafen holte mich Archimandrit Grigorios Papatomas ab, lud zu einem herrlichen Abendessen ein und brachte dann zum Kloster, in dem mich Prof. Konstantinos Pitsakis empfang. Die ganze Woche über vernahm ich kluge Vorträge über „Diaspora“ aus der kanonischen Sicht der orthodoxen, katholischen und anglikanischen Kirchen. Die hoch interessanten Gespräche führte ich mit Fachleuten aus Malabar, aber auch mit russischen, finnischen, holländischen und anderen Spezialisten. Aus der ganzen Informationsflut merkte ich mir insbesondere zwei Stellungnahmen, dass die orthodoxen Kirchen für die Vollständigkeit des Konzilrechtes den Dienst des Apostels Peter benötigen, und dass östliche katholische Priester mit größerer Mut ihr „Interventionsrecht“ für Seelsorge der zahlreichen Gläubiger außerhalb des „kanonischen“ Territoriums benutzen müssen. Mein Vortrag war gut geklappt, denn ich habe den bis auf grundlegende Prinzipien verkürzt und habe als einziger die Power Point Präsentation „Ukrainische Diaspora: Orthodoxen und Katholiken“ dabei benutzt. Es folgten unterschiedliche Fragen. Am meisten erinnere ich mich an die Besichtigung eines Klosters in Dafna mit seinen fast tausendjährigen Mosaiken, die ich am Gerüst ein Meter entfernt beobachten konnte, sowie das sehr reiche Byzantinische und Christliche Museum und Pantheon. Am Sonntag, den 18. September lud mich der griechisch-katholische Bischof Prof. Dimitrios Salachas die Liturgie im Dom der Heiligsten Dreifaltigkeit in der Akharnon Straße 246 mitzuhalten. Am anderen Tag flog ich nach Charleroi. Ich muss auch erwähnen, dass es in Athen eine sehr gute und moderne Verkehrsentflechtung sowie moderne Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen und Autobahnen geben.
In Charleroi erwartete mich Onkel Slavko. Es war Abendstunde. Den ganzen Dienstag verbrachte ich zusammen mit Mutter. Am Mittwoch früh zogen wir mit Herrn Kovtko nach Erfurt. Wir hatten eine angenehme Fahrt und unterhielten uns kaum. Der Zug kam um eine Stunde später. Es erwartete uns Herr Domkapitular Christof Hübenthal. Er brachte uns zum Bischofamt, hier erwartete uns schon unser Wagen mit Gepäck, das wir in Weimar liegen ließen. Er zeigte uns die Katheder und den Platz darunter, wo in zwei Tagen Papst Benedikt XVI. die Liturgie abhalten wird. Dies brachte Optimismus und feierliche Atmosphäre um die Katheder herum. Diese ist aber das Zentrum der Region, wo mehrere Leute „den Gott nicht mehr brauchen“. Daran hatten hier Ideologien des Nationalsozialismus, Kommunismus und heutzutage Konsumismus gearbeitet. Die Ankunft des Papstes war der Grund zur Stolze der Christen und der großen Erwartung. Ich kam eben um einen Tag früher nach Deutschland als wollte, um diese nicht bei deren Vorbereitungen zu stören. Man muss noch erwähnen, dass den Rest der Gelder für die Reparatur des alten Wagens, und zwar 1600 Euro, die Parochie der Stadt Erfurt bezahlte.
Wir zogen sofort nach Polen und übernachteten in der Kleinstadt Zgorzelec-Görlitz in der Privatpension für 50 Złoty per Person. Am Donnerstag, den 22. September 2011 zogen wir ruhig über die Grenze Polens und kamen nach Hause. Am Samstag hielt ich den Vortrag vor den katholischen Studenten „Obnova“ in Ternopil zum Thema „Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche im Licht der Botschaft von Johann Paul II. „Licht des Ostens““.
Ich bin dem Herrn für all diese Schwierigkeiten dankbar, die mir ausdrücklich gezeigt haben, dass Er gut ist und wie Er seine Diener benutzt. Ich predige oft darüber, aber diesmal habe ich das Ganze „auf meiner Haut“ gespürt. Ich bedanke mich bei allen Leuten, die ich hier in meinem Schreiben erwähne, insbesondere für Ihren Segen und Unterstützung. All dies war nicht möglich ohne Taten Ihrer gutherzigen und weisen Mitarbeiter.
Eure Hochwürdigste Exzellenz, ich habe diese Geschichte erzählt, um mich bei Ihnen zu bedanken und damit sich jeder und nicht ich alleine, der diese Geschichte lesen wird, an Sie erinnert. So wird Gottes Lob auf dieser Erde immer größer und wird den Glauben an das Gute vermehren, das zu Ihm führt.
Ich, Eure Hochwürdigste Exzellenz, habe mir Ihren Namen, Reinhard, im Gedächtnis behalten.
Lviv, den 21. November 2011, am Feiertag des Anführers Michael.
Mychajlo Dymyd